Veranstaltungsbericht

Passgenaue Angebote zur Begleitung von Bildungszu- und übergängen gestalten und verbinden

Was soll ich werden? Die Vielfalt aus der Heranwachsende und Erwachsene heute wählen können, ist kaum noch zu überblicken. Damit die jungen Menschen Klarheit erlangen können, wo ihre Stärken liegen und wie sie sich orientieren können, müssen ihre Lernbegleiter:innen wissen, wie sie sie befähigen können.

Carolin Wilms 21.01.2022

In den beiden letzten Workshops dieses Jahres ging es um Rollenverständnisse und Angebote zur Begleitung und Gestaltung von Bildungszugängen und -übergängen.

Um entsprechende Unterstützungsangebote unterbreiten zu können, wurde in den beiden Workshops zwischen den Zielgruppen junge Lernende und Erwachsene differenziert. Als besondere Herausforderung stellten die Teilnehmenden die fehlende Möglichkeit fest, angeleitet über persönliche Interessen zu reflektieren. Um selbstwirksam die eigene Bildungsbiografie zu gestalten, muss diese zunächst bekannt sein, um darauf weiter aufzubauen. Bei der Erwachsenenbildung sahen die Teilnehmenden zudem das Problem, dass ältere Lernende Berührungsängste haben und teils eine mangelnde Sicherheit in ihren eigenen Lernwegen sowie -ansätzen spüren. Zudem sei diese Lerngruppe sehr differenziert.

Prozesse steuern

Mit Blick auf das Rollenverständnis der Begleitenden, gab es eine große Schnittmenge: Als „Expert:in von außen“ wollten die Teilnehmenden diese Funktion verstanden wissen,ohne dass dabei den Lernenden vorgefertigte Lösungen angeboten würden. Wichtig sei es Hilfsmittel zu geben, den Prozess zu steuern, vorurteils- und wertfrei zu kommunizieren als auch dem/der Ratsuchenden unvoreingenommen und wertschätzend gegenüber zu treten. Dabei müsse sich die Lernbegleitenden selbst zurücknehmen und ihre eigenen Ideen zunächst zurückhalten, um eher als „Geburtshelfende“ die Lernenden zu befähigen.

Selbstwirksamkeit der Lernenden aktivieren

Über die erforderlichen Kompetenzen für die Begleiter waren sich beide Gruppen auch einig: Empathie- und Kommunikationsfähigkeit sei entscheidend, ebenso wie Prozess- als auch themenbezogenes Wissen. Zudem wurde angeregt, dass Kompetenzen unabhängig von Schulnoten zu definieren seien, ein Bewusstsein für soft skills geschafft und die Selbstwirksamkeit der Lernenden aktiviert werden sollte.
Als digitale und analoge Angebote nannten die Teilnehmenden Persönlichkeitsmodelle, mit denen die Lernenden arbeiten und über sich selbst viel erfahren können. Darüber hinaus sahen beide Arbeitsgruppen in der Vernetzung und im Erfahrungsaustausch mit anderen eine wesentliche Basis für diese Arbeit.

„Wer-bin-ich?“-Tagebuch

Hospitationen in verschiedenen Berufszweigen, die etwa durch die Elternschaft an den Schulen ermöglicht werden könnte, wurde als wichtig erachtet. An den Schulen gebe es viel Potential zur Verbesserung in diesem Bereich, sagte eine Teilnehmerin, vor allem im Hinblick auf neue Berufsbilder und deren Anforderungen für die Schulabgänger:innen. Als Arbeitsbuch zur Kompetenzorientierung schlug eine Teilnehmerin ein „Wer-bin-ich?“-Tagebuch vor: Darin können dem Lernenden durch Einträge von Lehrenden und Personen außerhalb des Lernumfeldes Hinweise gegeben werden, wie der Lernende auf andere wirke. Zudem biete der sinnvolle Umgang mit sozialen Medien den Lernenden Informationen und Anregungen für die weitere Bildungsbiografie.

Kollegiale Supervision für Lernbegleitende

Die Arbeitsgruppe, die die Erwachsenenbildung diskutiert hatte, nannte themenbezogene Fachveranstaltungen aber auch eine Transferagentur für Wissensaustausch als notwendige Angebote für Lernbegleitende. Physische Austauschräume mit Kolleg:innen und Personalentwicklung für Lernbegleitende seien ebenso wichtig wie auch kollegiale Supervision im analogen sowie im digitalen Raum, um die Unterstützungsleistung in der heterogenen Gruppe der Erwachsenen dauerhaft erbringen zu können.

Ratgeberbuch

Am Ende wurden die Teilnehmenden gebeten, sich in die Rolle eines/r Autor:in eines Ratgeberbuches zu diesem Thema zu versetzen und ein abschließendes Diktum zu verfassen. Mit diesen Appellen endete der erste Workshop: „Selbst nicht aufhören zu lernen, sondern offen und neugierig bleiben.“, „Stärkt die Selbstkompetenzen der Lehrkräfte und Lernbegleiter!“, „Helft den zu betreuenden/beratenden Personen dabei, ihre Stärken, Schwächen und Interessen zu finden. Macht euch mit ihnen ein Bild von ihren Zielen und Ambitionen und sucht zusammen den passenden Weg. Seid für sie da in dieser emotional aufregenden Phase, versucht euch angemessen zurück zu nehmen und zeigt euren Schützlingen, was sie alles aus sich machen können!“

Lernendes Dreieck

Auf diesen Erkenntnissen aufbauend, diskutierten die Arbeitsgruppen des zweiten Workshops im November über die Erreichbarkeit und Vernetzung von (digitalen) Bildungsangeboten zur Begleitung und Gestaltung von Bildungszu- und übergängen.
Dabei betrachteten die Teilnehmenden der ersten Gruppe die Hochschulabsolvent:innen und Berufseinsteiger:innen und die zweite Gruppe untersuchte die Bedürfnisse des sogenannten „Lernenden Dreiecks“: Lehrkräfte, Eltern, Schüler:innen. Als Herausforderung empfanden die Teilnehmenden die häufig anzutreffende Haltung, dass Lehrkräfte diese Begleitung nicht als ihre Aufgabe betrachten. Entsprechend formulierten sie Verantwortungsübernahme, Sichtbarkeit und Ombudsstellen als Ziele für eine verbesserte Begleitung der Lernenden. Dabei sollten auch den Eltern digital Informationen zu Bildungszu- und -übergängen bereitgestellt sowie Transparenz bezüglich der Zuständigkeiten geschaffen werden.

Passivität überwinden

Mit Blick auf die Absolvent:innen identifizierten die Teilnehmenden bei Älteren eine gewisse Passivität und Ängste bei Bildungszu- und -übergängen. So seien Individualisierung in der Begleitung und Orientierung Bedürfnisse, die zu adressieren seien. Gerade bei der Vielzahl von Angeboten sei es nicht nur für die Heranwachsenden eine Herausforderung, das Richtige zu finden, zumal eine gewisse Bildungsungerechtigkeit aufgrund der Informationsasymmetrie bestehe. Dies zu beheben, sei umso wichtiger, da es sich hierbei um eine entscheidende Stufe zur Entwicklung von Selbstwirksamkeit handle.

Nutzendenzentrierung

Um die Zielgruppe der Absolvent:innen besser zu erreichen, empfahlen die Teilnehmenden nutzendenzentrierte Angebote, die sowohl sprachlich als auch ästhetisch junge Menschen ansprechen. Zudem solle die Beratung bzw. Mentoratsbegleitung digital und analog möglich sein und die Begleitenden agil arbeiten. Für diese Zwecke befürworteten die Teilnehmenden die Nutzung von Web-Konferenz-Tools, digitale Plattformen zum Matchen und gemeinsame Casemanagement-Tools.
Die Arbeitsgruppe, die das „Lernende Dreieck“ betrachtete, regte an, die Begleitung als „Scrum-Master“ umzusetzen. Dabei zeigt die Person dem Lernenden den Prozess bzw. Weg auf und achtet zudem darauf, was der Lernende braucht, um sein Ziel zu erreichen.

Standardisierung der Beratung

Hilfreich sei dabei eine Form der Standardisierung der Beratungswege durch klare Fragen und auch durch den Einsatz von Zuordnungsalgorithmen (Frage/Antwort oder Bedürfnis/Lösung). Als sehr wichtig bezeichnete eine Teilnehmerin die Einrichtung von Feedback-Prozessen und die Vernetzung von Begleitungen. Aus Sicht dieser Arbeitsgruppe sei die digitale Sichtbarmachung der Angebote effizient durch ein Baukasten-System für Schulen zu lösen, die oft keinen IT-Beauftragten haben und durch das einfache Bedienen der Baukästen schnell ein Informations- und Kommunikationsangebot bereitstellen können.
Abschließend wurden die Teilnehmenden nach ihren Aha-Momenten während des Workshops befragt und Neuerungen wie „agile Fehlerkultur statt Abschottung“ und „Brücken bauen, um Bedürfnisse und Erwartungen abzugleichen“ den anderen mit auf den Weg gegeben.