Gastimpuls

Dr. Bettina Waffner

Dr. Bettina Waffner ist Leiterin des Bereichs Landesverbandliche Arbeit am Servicezentrum der Berliner Volkshochschulen. Zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Duisburg Essen und forschte zum Thema Organisationsentwicklung von Bildungseinrichtungen unter Bedingungen der Digitalität.

www.berlin.de/vhs/ueber-uns/

„Digitale Medien erweitern Lernräume“

Der Begriff „digitale Bildung“ ist in meinen Augen irreführend, wenngleich er eine sehr große Verbreitung gefunden hat. Kann Bildung analog oder digital sein? Wir sprechen über Bildung, die im Kontext einer spezifischen gesellschaftlichen, politischen und technologischen Entwicklung eingebettet ist. „Gute Bildung“ wird daher durch Bildungsangebote möglich, die dem Rechnung tragen.

Insofern werden digitale Medien, die unser neues Leitmedium sind, unbedingt und selbstverständlich zu der Gestaltung von Bildungsangeboten dazugehören. In unserem Alltag erleben wir, wie sich das Digitale und das Analoge durchdringen. Unsere Art zu kommunizieren, unsere Meinungs- und Aushandlungsprozesse sind durch Technik und Algorithmen zunehmend geprägt, wobei die Technik häufig unsichtbar bleibt.

In der digital geprägten Welt beobachten wir eine erhebliche Verkürzung von Innovationszyklen, sodass wir alle beruflich wie privat kontinuierlich Neues lernen müssen, um am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilzuhaben. Das hat weitreichende Auswirkungen auf Bildungsmanagement und Bildungsformate. Lebenslanges Lernen, das nicht nur in formalen, sondern in immer größerem Maße auch in informellen und non-formalen Settings erfolgt, wird zunehmend wichtiger.

Die Volkshochschulen spielen hier eine bedeutende Rolle. Charakteristisches Merkmal ist ihr Anspruch, mit ihren Bildungsangeboten möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. In ihrem Programmangebot ist die gesamte Breite des Bildungsspektrums abgedeckt. Insofern bieten Volkshochschulen in ihren Kursen und über diese hinaus einen sozialen Ort als Begegnungs-, Kommunikations-, und Interaktionsraum.

Digitale Medien erweitern diese Räume. Der digitale Wandel sorge für eine Umkehrung der Vorzeichen, nennt es der Bildungsexperte Jöran Muuß-Merholz. Dort, wo früher Knappheit an Materialien, Werkzeugen, Medienformen und auch Beteiligten herrschte, gibt es heute Überfluss. Das ermögliche eine neue Gestaltung von Unterrichtsformen, personalisiertes und selbstbestimmtes Lernen. Und die Volkshochschulen sind dabei, diese neuen Möglichkeiten auszuloten. Zum Beispiel, indem seltene Sprachen räumlich unabhängig über die VHS-Cloud unterrichtet werden, um einen größeren Teilnehmendenkreis zu erreichen. Genauso werden hybride Kursformate getestet, in denen sich ein Teil der Gruppe online in den Kursraum zuschalten kann.

Die Potenziale digitaler Medien können sich nur dann entfalten, wenn mehrere Bereiche produktiv ineinander greifen. Im Fall der Volkshochschulen sind das Kurs- und Raumbuchungen, Vertragserstellung, die pädagogisch-didaktischem und fachliche Kursgestaltung und Personals und Technik. Alle vier Bereiche greifen im Organisationsentwicklungsprozess ineinander. Konkret bedeutet das, dass über die Anschaffung und den Support von Technik hinaus Pädagogen gemeinsam mit technisch versiertem Personal innovative Kurskonzepte entwickeln und durchführen, in denen die Potenziale digitaler Medien für Bildung genutzt werden können.

Dabei ist es entscheidend, Organisationsentwicklung als Führungsaufgabe zu verstehen. Das bedeutet auch, dass Strukturen geschaffen werden, die Innovationen mindestens ebenso befördern wie bewährte Kursformate. Neben der VHS-Leitung sind Programmbereichsleitende entscheidend, die freiberuflich tätige Kursleitende ermutigen und (auch finanziell) honorieren, digitalgestützte Formate zu konzipieren und durchzuführen. „Misserfolge“ sollten konstruktiv als Lern- und Erfahrungsfelder verstanden werden, Kursleitende in technischen Fragen Unterstützung finden und vielleicht auch als Tandem mit Mediendidaktiker:innen Kurse anbieten können. Raum und finanzielle Entlohnung für Konzeptions- und Reflexionsphasen im gesamten Team könnte dabei hilfreich sein, Erfahrungen in die Breite zu tragen und gemeinsam Schritte weiterzugehen.

Um Lernende bestmöglich an neue Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien heranzuführen, nehmen Lehrenden ein inzwischen umfangreiches Angebot an Fortbildungen wahr. Diese werden vom Servicezentrum der Berliner Volkshochschulen für Erwachsenenbildung kostenfrei angeboten. Im ersten Pandemiejahr 2020 wurden dort 167 Schulungen durchgeführt, an denen fast 3.000 Personen teilnahmen. Ein Großteil der Kursangebote umfassen Themen zu digitalgestützten Unterrichtsformen, etwa unter Verwendung professioneller Tonstudio-Technik, die Nutzung von Smartphones im Sprachunterricht bis zu pädagogisch-didaktischen Fragen.

Parallel hierzu gibt es seit mehreren Jahren das Konzept der DigiCircles, die über einen längeren Zeitraum und in einer Netzwerkstruktur angelegt sind. Hier werden Fortbildungsformate entwickelt, erprobt und weiterentwickelt, die das gesamte Spektrum der Möglichkeiten digitalgestützten Unterrichts abdecken. Ziel ist es unter anderem, eine größere räumliche und zeitliche Flexibilität zu erreichen, aber auch durch einen Fokus auf den Peer-Austausch andere Lernformate einzusetzen.