Gastimpuls

Dr. Karin Reichel

Dr. Karin Reichel ist Geschäftsführerin des FrauenComputerZentrumBerlin e. V. (FCZB). Das FCZB wurde 1984 als bundesweit erste frauenspezifische Weiterbildungseinrichtung im Bereich neue Technologien gegründet.

www.fczb.de/karin-reichel/

„Wir müssen Bildungsübergänge besser gestalten.“

Gute digitale Bildung stärkt digitale Mündigkeit. Sie thematisiert deshalb neben der anwendungsbezogenen Perspektive immer auch die technologische und gesellschaftlich-kulturelle Dimension der digital vernetzten Welt. Geht es um die Vermittlung von Anwendungswissen, ist die Fähigkeit zur zielgerichteten Auswahl von Systemen zentral. Es geht darum, diese effektiv und effizient nutzen zu können, etwa zur Umsetzung individueller oder kooperativer Vorhaben.

Genauso wichtig ist das Bewusstsein dafür, wie und warum man sich für das eine und nicht das andere Tool entschieden hat, welche Möglichkeiten die jeweilige Anwendung bietet und was für eine sichere Handhabung zu beachten ist. Zum Beispiel ist es für viele unserer Teilnehmerinnen eine neue Erkenntnis, dass neben Google auch noch weitere Suchmaschinen zur Verfügung stehen. 

Die technologische Perspektive hinterfragt und bewertet zusätzlich die Funktionsweise der Systeme, aus welchen die digitale, vernetzte Welt besteht. So ist es etwa wichtig, zu verstehen, dass bei entgeltfreien digitalen Tools in der Regel mit den eigenen Daten „bezahlt“ wird. Und dass diese sowohl technisch anders gestaltet werden könnten (Privacy by Design) als auch durch eigene Einstellungsmöglichkeiten beeinflusst werden können. Dabei sollte es nicht nur darum gehen, sich mit dem aktuellen Stand der Technik vertraut zu machen, sondern grundlegende Konzepte zu erfassen, um Problemlösestrategien und -methoden auch auf zukünftige Anforderungen anwenden zu können. 

Die Teilnehmerinnen an unseren IT-Schulungen werden zwar individuell betreut, es geht aber immer auch darum, sie zu ermutigen, Probleme und Fragen selbstständig lösen zu können und schließlich auch Wege dafür vorzuschlagen. Darüber hinaus sollen mithilfe der gesellschaftlich-kulturellen Perspektive die Wechselwirkungen der digitalen, vernetzten Welt mit Individuen und der Gesellschaft verstanden werden. 

Hier geht es um Fragen wie: Auf welche Weise wirken digitale Medien auf Individuen und die Gesellschaft? Wie können die Güte und der Wahrheitsgehalt von Informationen beurteilt werden? Was wird benötigt, um einen eigenen Standpunkt entwickeln zu können? Wie können die Gesellschaft und die Individuen die digitale Kultur und die digitale Transformation aktiver mitgestalten? 

Mit unseren Schulungen möchten wir aber nicht nur die Themen digitale Mündigkeit und informationelle Selbstbestimmung ansprechen, sondern auch die Risiken der Entgrenzung von Arbeit und Freizeit, die durch vermehrtes Arbeiten im Homeoffice und ständige Erreichbarkeit entstehen können.

Um gute digitale Bildung noch mehr in die Breite zu bringen, müssen wir auch dafür sorgen, Übergänge innerhalb der gesamten Bildungskette besser zu gestalten. Hier herrscht Nachholbedarf, das zeigen ja auch Ergebnisse der Befragung im Leitlinienprozess. Meiner Meinung nach sollte dringend mehr Austausch darüber stattfinden, in welchen Bildungsbereichen die digitale Mündigkeit jeweils mit welchen Themen und Methoden weiterentwickelt werden kann und wie die Übergänge gestaltet werden können.

Grundlage für digitale Teilhabe ist und bleibt die technische Ausstattung. Einerseits sollten die jeweiligen Bildungsinstitutionen eine funktionsfähige und moderne Technikausstattung erhalten. Andererseits müsste auch dafür gesorgt werden, dass alle Teilnehmerinnen auch in ihrem privaten Umfeld weiterlernen können. Dafür müssten einkommensschwache Teilnehmerinnen finanzielle Unterstützung durch öffentliche Stellen erhalten, um sich eine technische Ausstattung anschaffen zu können.